Pressemitteilung zum Reformbedarf bei MVZ

Die Bundesärztekammer (BÄK) hat kürzlich konkrete Vorschläge zum Thema Medizinische Versorgungszentren (MVZ) gemacht. Dabei geht es u.a. um die Beschränkung des Einflusses von MVZ in der Hand von fachfremden Investoren, um mehr Transparenz zur Frage, wem MVZ gehören und um die Stärkung der ärztlichen Leitung und der Ärzt*innen insgesamt in MVZ.

Hierzu erklärt der Grüne Bundestagsabgeordnete Armin Grau, Berichterstatter für Krankenhauspolitik und ambulante Versorgung:

„Ich freue mich sehr, dass die BÄK sehr detailliert und sachgerecht Stellung zum Thema MVZ bezieht. Minister Lauterbach hat für das Jahr 2023 Reformen bei den MVZ angekündigt. Daher passen die Vorschläge der BÄK jetzt inhaltlich und auch zeitlich sehr gut.“

„Angesichts eines zunehmenden Verkaufs von Arztpraxen an Finanzinvestoren, v.a. Private Equity Gesellschaften, ist es dringend erforderlich, bei den MVZ zu neuen gesetzlichen Regeln zu kommen. Zunächst ist es ganz entscheidend, Transparenz zu schaffen, denn heute ist es angesichts verschachtelter und unübersichtlicher Firmenstrukturen oft gar nicht möglich herauszufinden, wem ein MVZ letztendlich gehört. Es ist deshalb wichtig, dass die tatsächlichen Eigentümerverhältnisse auf dem Praxisschild und der Internetpräsenz erkennbar sind. Außerdem müssen alle wichtigen Informationen, einschließlich dem Letzteigentümer, in einem Register zusammenfließen.“

Finanzinvestoren, die heute ein Krankenhaus erwerben, können auf diesem Weg Medizinische Versorgungszentren gründen, Kassenarztsitze aufkaufen und Ärztinnen und Ärzte anstellen. Über den Kauf einer Spezialklinik in der Bayerischen Alpen ist es so beispielsweise auch möglich, Kassensitze in Schleswig-Holstein aufzukaufen und MVZ dort zu betreiben.

Dazu ergänzt der langjährige Arzt Armin Grau: „Die heute geltenden Regelungen sind nicht sinnvoll und bedürfen dringend einer Reform. Im Sinne einer bedarfsgerechten, sektorenübergreifenden Gesundheitsversorgung sollen Krankenhäuser und MVZ eng zusammenarbeiten.. MVZ müssen die Patient*innen im gesamten Spektrum ihres Fachgebiets versorgen und dürfen sich nicht – wie heute zum Teil üblich – besonders lukrative Leistungen herauspicken. Ganz wichtig ist es auch, die Rolle der leitenden Ärztinnen und Ärzte in den MVZ zu stärken. Es darf kein Zweifel bestehen, dass alle Ärztinnen und Ärzte in den MVZ entsprechend der ärztlichen Berufsordnung und im Interesse ihrer Patientinnen und Patienten handeln und nicht von wirtschaftlichen Interessen der MVZ-Besitzenden beeinflusst werden. Besonderer Handlungsdruck besteht in einzelnen Fächern wie der Zahn- und Augenheilkunde.

Die Ampel-Koalition wird es darüber hinaus, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, den Kommunen erleichtern, MVZ zu gründen. Kommunen haben die Interessen ihrer Bürgerinnen und Bürger vor Ort im Blick. Gesundheitsversorgung ist Daseinsfürsorge und die Patient*innen müssen immer im Mittelpunkt stehen.“

Zum Hintergrund:

Seit 2004 können Medizinische Versorgungszentren (MVZ) neben Einzel- und Gemeinschaftspraxen (heutige Bezeichnung: Berufsausübungsgemeinschaften) an der ambulanten ärztlichen Versorgung teilnehmen. MVZ bringen heute v.a. für viele jüngere Ärztinnen und Ärzte den Vorteil mit sich, angestellt sein zu können und nicht direkt einen Kassenarztsitz erwerben und selbständig tätig sein zu müssen. Rund 93% der circa 26.000 Ärztinnen und Ärzte in MVZ arbeiten in einem Angestelltenverhältnis (Stand Ende 2021). Während 2010 rund 6% der Ärztinnen und Ärzte in MVZ gearbeitet haben waren es 2015 rund 15% (Quelle: KBV). Der Anteil der ärztlichen (nicht zahnärztlichen) MVZ liegt bundesweit im Verhältnis zu den anderen Praxisformen bei wenigen Prozentpunkten, in einzelnen Regionen und Fächern wie der Augenheilkunde oder der Orthopädie liegt der Anteil aber zum Teil deutlich höher.

Investoren, die ein Krankenhaus in Deutschland besitzen, können MVZ betreiben, dafür Kassenarztsitze aufkaufen und Ärzt*innen einer oder verschiedener Fachrichtungen in unbegrenzter Zahl anstellen. In den letzten Jahren ist die Zahl der MVZ in der Hand von Investoren (iMVZ), meist in der Hand von Private Equity (PE) Gesellschaften kontinuierlich gestiegen. So haben die Käufe von Gesundeinrichtungen durch PE Gesellschaften von jährlich unter 10 in den Jahren vor 2010 auf über 160 im Jahr 2020 zugenommen (Quelle: Rainer Bobsin. Private Equity 2020) Der Anteil der iMVZ ist bislang insgesamt gering, in einzelnen Fächern wie Zahnheilkunde und Augenheilkunde und vor allem in größeren Städten nimmt er jedoch zum Teil bereits beträchtliche Ausmaße an. Es besteht die Befürchtung, dass bekannte Zahlen zu iMVZ nicht vollständig sind, da es keine Pflicht gibt, die Käufe anzuzeigen oder registrieren zu lassen. Der Letztbesitzer eines MVZ ist angesichts verschachtelter Firmenstrukturen oft nur mit großen Mühen und zum Teil gar nicht zu identifizieren. Daher müssen ein Register und Informationen auf dem Praxisschild, dem Briefkopf und im Internet für Transparenz sorgen.

Ein Register erlaubt auch eingehendere Analysen zum Leistungsgeschehen in den verschiedenen Praxisformen; iMVZ wird in der aktuellen Diskussion vorgeworfen, sich besonders lukrative Leistungen mit der Möglichkeit zu Mengensteigerungen herauszugreifen und medizinisch zum Teil nicht begründbare Leistungsausweitungen vorzunehmen. Ein Register muss es rasch ermöglichen, mehr Klarheit über die Leistungen der verschiedenen Träger zu schaffen.

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