Sektorenübergreifende und Regionale Versorgung

Wir Grüne stehen für eine Versorgung, die den Bedarfen der Patientinnen und Patienten gerecht wird. Die Menschen müssen sich auch künftig darauf verlassen können, überall gut versorgt zu werden. Dafür werden wir die notwendigen Strukturveränderungen einleiten.

Große Herausforderungen der ambulanten Versorgung im ländlichen Raum liegen heute insbesondere in der Sicherung der ärztlichen und pflegerischen Versorgungsangebote angesichts des Fachkräftemangels in den Gesundheitsberufen. Gerade wegen des Fachkräftemangels brauchen wir eine besser miteinander verzahnte und patientengerechte Versorgung. Wir setzen daher auf eine moderne sektorenübergreifende Gesundheits- und Pflegepolitik mit dem Ziel einer den ambulanten und stationären Bereich umfassenden Versorgungsplanung, auf neue Berufsfelder im Gesundheitsbereich und eine Stärkung der Pflegeberufe, auf Verbesserungen durch eine vermehrte Digitalisierung und eine Stärkung der Rolle der Kommunen. Vieler dieser wichtigen Punkte konnten wir im Ampel-Koalitionsvertrag verankern und sie stehen jetzt auf der Agenda für eine Umsetzung.

Sektorengrenzen aufbrechen

Die aktuelle sektorengetrennte Struktur im deutschen Gesundheitswesen geht oft nicht von den tatsächlichen Bedarfen der zu versorgenden Menschen aus. Bislang werden regionale Besonderheiten der Bevölkerungsstruktur bzw. der Versorgungsbedarfe planerisch insgesamt zu wenig einbezogen; die Kommunen spielen in Fragen der Gesundheitsversorgung keine ausreichen große Rolle.

In ländlichen Räumen, aber auch in sozial benachteiligten Stadtteilen ist die medizinische Grundversorgung nicht mehr durchgehend sichergestellt bzw. nicht mehr bedarfsgerecht. Aspekte der Unterversorgung werden verstärkt durch die demographische Entwicklung mit einem höheren Anteil älterer Patient*innen mit erhöhtem Versorgungsbedarf und einem altersbedingten beruflichen Ausscheiden medizinischer Fachkräfte.

Auf die Gesundheit wirken neben individuellen auch soziale und ökologische Faktoren ein. Um einem breiteren Konzept von Gesundheit („health in all policies“) gerecht zu werden, ist eine stärkere Integration medizinischer, pflegerischer, sozialer und populationsbezogener Interventionen erforderlich

Im internationalen Vergleich werden in Deutschland sehr viele Leistungen stationär erbracht; ein wesentlicher Grund dafür liegt im beschränkten Zugang der Krankenhäuser zur ambulanten Versorgung. Dies schließt auch psychosomatische und psychiatrische Einrichtungen ein. Diese starke sektorale Trennung führt zu gravierenden Nachteilen für die Patient*innen: Brüche im Informationsfluss und in der therapeutischen und diagnostischen Kontinuität beim Übergang zwischen Krankenhaus-, Reha- und ambulanter Behandlung, insbesondere bei Patient*innen mit komplexen oder akuten schwerwiegenden Erkrankungen, aber auch bei Menschen mit multiplen und chronischen Krankheiten; aus Zeit- und Budgetgründen werden Patient*innen immer wieder vom einen in den anderen Sektor “verschoben“. Durch die Sektorentrennung entstehen somit unnötige Kosten durch eine unkoordinierte Leistungserbringung (u.a. mit Doppeluntersuchungen), Schnittellenprobleme und die genannte Verlagerung von Leistungen in den jeweils anderen Sektor.

Die Integration von Gesundheitsförderung und Prävention und die Optimierung der Betreuung von Patient*innen mit chronischen Erkrankungen und deren Angehörigen müssen bei unseren anstehenden Versorgungsreformen in besonderem Maß in den Fokus genommen werden.

Neue Gesundheitsberufe stärken

Außerdem ist die Rolle nicht-ärztlicher Berufe insbesondere im Bereich eigenverantwortlicher Tätigkeiten im deutschen Gesundheitswesen im internationalen Vergleich gering ausgeprägt. Die Aufwertung der Pflege- und Therapieberufe und die Entwicklung neuer Berufsfelder (z.B. community health nurse) ist wichtig, insbesondere auch aufgrund des Fachkräftemangels. In unserem komplexen und sektorengetrennten Gesundheitssystem brauchen viele Patientinnen und Patienten bessere Hilfestellungen und Begleitung, um eine optimierte Versorgung zu ermöglichen. Hierzu gehören begleitende Hilfen durch case oder care manager oder Lots*innen, die bislang in unserem Versorgungssystem im Gegensatz zu anderen Ländern nicht etabliert sind. Zum Thema Patientenlots*innen gab es zuletzt mehrere Projekte im Rahmen des Innovationsfonds. Im Koalitionsvertrag ist zu diesem Thema festgehalten: „Der Innovationsfonds wird verstetigt. Für erfolgreich geförderte Projekte, wie die der Patientenlotsen werden wir einen Pfad vorgeben, wie diese in die Regelversorgung überführt werden können.“

Transparenz bei MVZ

Angesichts eines zunehmenden Verkaufs von (Zahn-)Arztpraxen an Finanzinvestoren, v.a. Private Equity Gesellschaften, ist es erforderlich, bei den MVZ zu neuen gesetzlichen Regeln zu kommen. Zunächst ist es ganz entscheidend, Transparenz zu schaffen, denn heute ist es angesichts verschachtelter und unübersichtlicher Firmenstrukturen oft gar nicht möglich herauszufinden, wem ein MVZ letztendlich gehört. Es ist deshalb wichtig, dass die tatsächlichen Eigentümerverhältnisse auf dem Praxisschild und der Internetpräsenz erkennbar sind. Außerdem müssen alle wichtigen Informationen, einschließlich dem Letzteigentümer, in einem Register zusammenfließen. Die heute geltenden Regelungen sind dementsprechend nicht in allen Teilen sinnvoll und bedürfen dringend einer Reform – im Sinne einer bedarfsgerechten, sektorenübergreifenden Gesundheitsversorgung. MVZ sollten idealerweise die Patient*innen im gesamten Spektrum ihres Fachgebiets versorgen und dürfen sich nicht – wie heute zum Teil– besonders lukrative Leistungen herauspicken. Dabei sollen (Zahn-)MVZ selbstverständlich nicht unter einen Generalverdacht gestellt werden. Besonderer Handlungsdruck besteht aber offensichtlich in einzelnen Fächern.

Die Ampel-Koalition möchte es zunächst, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, den Kommunen erleichtern, MVZ zu gründen. Kommunen haben die Interessen ihrer Bürgerinnen und Bürger vor Ort im Blick. Gesundheitsversorgung ist Daseinsfürsorge und die Patient*innen müssen immer im Mittelpunkt stehen. Dies soll im Rahmen eines Versorgungsgesetzes den ersten Reformschritt darstellen. Weitere Aspekte, die anderen Aspekte sollen im Rahmen eines zweiten Gesetzes angegangen werden.