Der Deutsche Bundestag debattiert auf Antrag von CDU/CSU zum Thema PFAS („Ewigkeitschemikalien“). Anlässlich seiner Rede erklärt der Grüne Bundestagsabgeordnete Prof. Dr. Armin Grau, Mitglied im Gesundheits- und Umweltausschuss:
„Von PFAS geht eine große Gefahr für Umwelt und Gesundheit aus. Gewässer und Böden sind an vielen Stellen in Deutschland mit hohen Konzentrationen von PFAS belastet. Sie können in das Hormonsystem eingreifen und zu Fruchtbarkeitsstörungen, Diabetes und Adipositas führen, aber auch zu Krebs beitragen. Die gesundheitlichen Folgeschäden belaufen sich einer schwedischen Studie zufolge EU-weit auf mehr als 50 Milliarden Euro pro Jahr. Die Union verharmlost diese Gefahren in ihrem Antrag und spricht davon, dass bei sachgemäßem Umgang keine Gefahr für Mensch und Umwelt bestehe. Auch von Fluor-Polymeren gehen, anders als von CDU/CSU dargestellt, bei Produktion und Entsorgung Gefahren aus.
Einzelne PFAS wurden bereits verboten, aber schnell durch neue mit noch unbekannten Risiken ersetzt. Deswegen ist es richtig, dass Fachbehörden aus 5 europäischen Ländern jetzt einen sehr differenzierten und gestuften Regulierungsvorschlag für die gesamte Stoffgruppe eingereicht haben. Er enthält Verbote nach 1,5 bis 13,5 Jahren je nach Vorhandensein von Alternativen und einzelne unbefristete Zulassungen.
Für die Chemieindustrie sind PFAS inzwischen eine Milliardenfalle. In den USA zahlt 3M 12 Milliarden $ an Wasserwerke, die BASF sieht sich mehr als 2000 Klagen ausgesetzt. Über 100 Firmen, wie Levi‘s, H&M oder Coop, haben öffentlich PFAS-freie Ausgangsstoffe gefordert.
Deutsche Firmen bieten bereits PFAS-freie Wärmepumpen an und arbeiten an PFAS-freien Elektrolyseuren. Für einzelne Anwendungen brauchen wir noch vermehrte Forschungsanstrengungen und allenfalls bei langfristig unzureichendem Ersatz eine Verlängerung der Übergangsfristen.
Ohne PFAS zu produzieren ist gut für Gesundheit und Umwelt und es ist auch die Zukunft für unsere Wirtschaft“, so Grau.
Die Bundestagsrede kann hier komplett nachgelesen werden:
Dr. Armin Grau (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst auch von mir vielen Dank an die Union für die Gelegenheit, zu diesem wichtigen Thema debattieren zu können.
Bei den PFAS werden Wasserstoffatome in Kohlenstoffketten durch Fluoratome ersetzt. Diese Substanzen haben zauberhafte Eigenschaften: Sie sind wasser- und fettlöslich und extrem beständig. Daher finden sie auch eine so breite Anwendung. Nur leider haben sie eben auch gravierende Nachteile: Da sie in der Natur nicht vorkommen, kennt die Natur auch keine Abbauwege. Einmal in der Umwelt, fast ewig in der Umwelt. Daher auch der Name „Ewigkeitschemikalien“.
Wir finden sie heute in Luft, Boden und Wasser in oft erschreckend hohen Konzentrationen, auch in meinem Wahlkreis. Viele PFAS sind gesundheitsschädlich. Sie können unser Hormonsystem schädigen, zu Fruchtbarkeitsstörungen, Diabetes, Adipositas und Schilddrüsenerkrankungen führen, aber auch zu Krebs beitragen. Im Blut von Kindern und Jugendlichen in Europa finden sich PFAS zum Teil in Konzentrationen deutlich über der Warnschwelle. Die gesundheitlichen Folgeschäden belaufen sich EU-weit auf mehr als 50 Milliarden Euro pro Jahr. Ihre Aussage – also die von der Union –, dass bei sachgemäßem Umgang keine Gefahr für Mensch und Umwelt bestünde, wirkt da doch ziemlich verharmlosend.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Etliche PFAS wurden verboten, aber schnell durch neue mit noch unbekannten Risiken ersetzt. Deswegen haben jetzt Fachbehörden – und nicht die Politik – aus fünf europäischen Ländern einen differenzierten und gestuften Regulierungsvorschlag für die gesamte Stoffgruppe eingereicht. Ein Verbot nach eineinhalb Jahren betrifft nur Anwendungen mit breit verfügbaren Alternativen. Die Frist verlängert sich auf sechseinhalb Jahre, wo Alternativen existieren, aber noch nicht durchgängig zugänglich sind, und auf 13,5 Jahre, wo jetzt noch keine Alternativen bestehen. Und es gibt auch unbefristete Ausnahmen, anders als Sie das in Ihrem Antrag suggerieren.
Damit wird doch genau das gemacht, was Sie von der Union fordern. Zitat aus Ihrem Antrag: Es wird dort beschränkt, „wo technisch geeignete und ökonomisch machbare Alternativen verfügbar sind“. Noch mal: Genau das wird gemacht. Sie fordern, die Übergangsfristen in Einzelfällen zu verlängern. Wenn in einigen Jahren erkennbar wird, dass in einem essenziellen Bereich die Fristen nicht ausreichen, dann sollte man diese tatsächlich nochmals verlängern. Darüber kann man diskutieren, aber eben erst dann, und stecken Sie nicht schon jetzt den Kopf in den Sand, so wie Sie es in Ihrem Antrag tun.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Die vorgeschlagenen Fristen schaffen auch wichtige Forschungs- und Marktanreize. An einer Stelle im Antrag haben Sie recht: Wir brauchen noch mehr Forschung zu Ersatzstoffen.
Sie vertreten im Übrigen die Ansicht, dass von den langkettigen PFAS, den Fluorpolymeren, keine Gefahr ausgeht. Das wird aber vielfach anders gesehen. Sowohl bei der Herstellung als auch bei ihrer Entsorgung werden vielfach kleinere PFAS-Moleküle oder Fluorgase frei, die Mensch und Umwelt nachweislich belasten.
Die Produktion der PFAS entpuppt sich für viele Firmen heute als Milliardenfalle. Der Konzern 3M zahlt nach einem Rechtsstreit 12 Milliarden Dollar an Wasserwerke in den USA und steigt 2025 auch in Bayern, in Gendorf, aus der Produktion aus. BASF wird in den USA in über 2 000 Fällen beklagt. Auch in Europa gibt es erste Klagen. Es ist ergo ziemlich riskant für die Wirtschaft, auf PFAS zu setzen. Auf der anderen Seite: Über 100 Firmen, wie Levi’s, H&M oder Coop, wünschen sich von ihren Zulieferern aus der Chemieindustrie sichere und nachhaltige Ausgangsstoffe und haben öffentlich PFAS-freie Ausgangsstoffe gefordert.
Ihr Antrag gibt sich so wirtschaftsfreundlich; aber diese Aspekte ignorieren Sie gänzlich. Besonders problematisch ist die Stelle in Ihrem Antrag, wo Sie PFAS als unersetzbar für Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft darstellen. Toxische Substanzen wie PFAS aber sind doch genau das Problem beim Recycling und nicht die Lösung.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Deutsche Firmen bieten PFAS-freie Wärmepumpen an und arbeiten an PFAS-freien Elektrolyseuren. Ohne PFAS zu produzieren, ist die Zukunft, und das schafft genau die Wettbewerbsvorteile auf dem Weltmarkt, die Sie fordern.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Grau.
Dr. Armin Grau (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Wir haben drei große Krisen – –
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kollege.
Dr. Armin Grau (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
– letzter Satz, – nämlich Klimaerhitzung, Artensterben und Verschmutzungskrise, die wir alle gleichzeitig angehen müssen –
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kollege!
Dr. Armin Grau (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
– und nicht gegeneinander ausspielen dürfen. Genau dazu leistet der Regulierungsvorschlag der ECHA einen Beitrag.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)