Dr. Armin Grau (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich komme aus dem Rhein-Pfalz-Kreis, der Teil des sogenannten Gemüsegartens Vorderpfalz ist. Auf meinem langjährigen Arbeitsweg bin ich an den Feldern vorbeigekommen, auf denen oft eine große Zahl von Saisonarbeiter/-innen ihrer harten Tätigkeit nachging, im Sommer auch in sengender Sonne und nicht immer mit ausreichendem Sonnenschutz.
Als Neurologe im Krankenhaus sind mir die Saisonarbeitskräfte immer wieder als Patientinnen und Patienten begegnet. Zumeist war der Gesundheitszustand der Menschen nicht gut, erkennbar vor allem an einem schlechten Zahnstatus, aber auch an schlecht eingestelltem Diabetes oder Blutdruck. Die Diagnosen waren typischerweise epileptische Anfälle, Bandscheibenvorfälle, aber auch Schlaganfälle. Und in einem Fall erinnere ich mich, dass wir leider einen Hirntumor feststellen mussten.
Bei längeren Krankenhausaufenthalten war die Kostenübernahme oft unzureichend oder stellte eine ungeklärte Frage dar. Dann standen Ärztinnen und Ärzte unter Druck, raschen Verlegungen in die Heimatländer zuzustimmen. Da mussten sich dann die Ärztinnen und Ärzte des wirtschaftlichen Drucks erwehren. Nach Schlaganfällen bestand regelmäßig kein Versicherungsschutz für eine dringend erforderliche Rehabehandlung. Wir mussten oft davon ausgehen, dass dann in den Heimatländern auch keine ausreichende Rehabilitation stattfinden würde.
(Zuruf von der AfD: Und wir sollen es bezahlen?)
Das alles ist aus ärztlicher und menschlicher Sicht eine inakzeptable Situation, auch wenn Sie von der AfD das natürlich nicht verstehen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)
Ich bin sehr froh, dass wir im Koalitionsvertrag festgelegt haben, dass ab dem ersten Tag ein voller Krankenversicherungsschutz für Saisonbeschäftige bestehen soll.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Stephan Protschka [AfD])
Bloße Meldeverpflichtungen und inkonsequente Kontrollen reichen hier natürlich nicht. Die Menschen, die zu uns kommen und in harter Arbeit dafür sorgen, dass wir Gemüse und andere Lebensmittel auf den Tellern haben, aber auch Saisonarbeitskräfte, die in anderen Bereichen tätig sind, verdienen es, dass wir für einen vollumfänglichen Versicherungsschutz sorgen, nicht nur für einen Schutz zweiter Klasse; da haben Sie von der Linken völlig recht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Stephan Protschka [AfD])
Da darf es auch keine Unterschiede zwischen Menschen aus EU- und Nicht-EU-Ländern geben. Außerdem gibt es Mittel für Prävention und Gesundheitsförderung, von denen auch Saisonarbeiter/-innen profitieren müssen. Es steht also außer Frage: Die Saisonarbeiter/-innen müssen ausreichenden Arbeits- und Gesundheitsschutz erhalten und sich auch darauf verlassen können. Es darf nicht sein, dass Menschen in Deutschland im 21. Jahrhundert ohne ausreichende gesundheitliche Absicherung arbeiten.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Darüber hinaus ist Aufklärung geboten: Niedrigschwellige Anlauf- und Beratungsstellen mit Übersetzungen in die jeweilige Muttersprache sind sehr wichtig. Das steht bei uns Grünen im Rhein-Pfalz-Kreis auch in unserem kommunalpolitischen Programm.
Ich bin überzeugt, dass wir in der Ampel im Konsens mit allen beteiligten Ministerien eine gute Lösung finden werden und für vollständigen Krankenversicherungsschutz für die Saisonarbeiter/-innen sorgen werden.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)