Dr. Armin Grau (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuhörer auf den Tribünen zum Begrüßen gibt es keine mehr. Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, eine Lösung für die wenigen Prozent aktuell unvermeidbarer CO2-Emissionen vorzulegen. Dazu wird die Bundesregierung unter anderem eine Carbon-Management-Strategie entwickeln.
Sie von der CDU/CSU wollen jetzt eine unmittelbare Ratifikation der Ergänzung im London-Protokoll von 2009. Dabei geht es um den Export und die geologische Speicherung von CO2 im Meeresboden. Eile ist dabei aber nicht geboten. Eile hatten auch die CDU-geführten Bundesregierungen nicht, wie etwa aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP vom Juni 2021 klar hervorgeht. Und Ihre Empfehlung, Herr Grundmann, zu einem fossilen Lock-in mit Verpressung von CO2 aus Kohlekraftwerken lehnen wir komplett ab; das ist der völlig falsche Weg.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Olaf in der Beek [FDP])
Bei CO2-Transport und -Verpressung sind weiterhin viele Fragen offen: Wie lange bleibt das CO2 im Endlager? Wir müssen uns hier für Jahrtausende sicher sein. Wie soll das überwacht werden? Erst wenn riesige Mengen frei werden, wird das überhaupt bemerkt. Das Meer ist ein Ökosystem, das wir ohnehin über alle Grenzen hinaus belasten. Und zuletzt: Wer soll die riesigen Haftungsrisiken übernehmen?
Vizepräsidentin Aydan Özoğuz:
Erlauben Sie eine Zwischenfrage von der Kollegin Weisgerber?
Dr. Armin Grau (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ja, gern.
Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU):
Sehr geehrter Herr Dr. Grau, Sie haben gerade gesagt, dass CCS durchaus eine Möglichkeit wäre, CO2 zu speichern, und haben es in Verbindung mit der Kohleenergie gebracht. Der Kollege Grundmann hat ganz deutlich zum Ausdruck gebracht, dass wir den Kohleausstieg nicht aufheben wollen, dass wir auch die Kohleenergie nicht länger nutzen wollen.
(Dr. Jan-Niclas Gesenhues [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat CCS für Kohle gefordert! Ich habe gut zugehört!)
Auch das IPCC, auch das Europäische Parlament, auch die Experten sagen, dass es 10 Prozent unvermeidbare Emissionen gibt. Wenn wir wirklich bis 2045 Klimaneutralität erreichen wollen, dann bedeutet das – das sagen alle Experten –, dass dies bezüglich der unvermeidbaren Emissionen nicht funktioniert, wenn wir nicht neue Technologien wie auch CCS nutzen.
(Dr. Jan-Niclas Gesenhues [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kohleemissionen sind nicht unvermeidbar!)
Das sagt auch Ihr Wirtschaftsminister Habeck.
Deswegen frage ich: Warum stimmen Sie dem Gesetzentwurf nicht zu? Wie wollen Sie die unvermeidbaren Emissionen dann speichern? Wie ist Ihre Lösung diesbezüglich?
(Beifall bei der CDU/CSU)
Dr. Armin Grau (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank für die Nachfrage. Das gibt mir Gelegenheit, noch ein bisschen ausführlicher zu antworten. Daher bin ich Ihnen zu Dank verpflichtet. – Ich war erst in der Mitte meiner Rede. Ich habe am Anfang gesagt: Wir werden eine Carbon-Management-Strategie entwickeln. Ich werde im nächsten Teil meiner Rede auch ein paar Worte dazu sagen, dass es durchaus richtig ist, dass wir für einen ganz kleinen Teil der Emissionen – da reden wir bei Weitem nicht von den 10 Prozent, die Sie genannt haben; wir reden wahrscheinlich von nur 3 Prozent, maximal 5 Prozent, wie es im Koalitionsvertrag steht – mal schauen müssen, ob solche Optionen wie CCU, wie es der Kollege Kleebank gerade angesprochen hat, oder vielleicht auch CCS eine Rolle spielen.
Wir müssen jetzt zunächst mal etwas ganz anderes machen, nämlich: Wir müssen vermeiden. Wir müssen weiter reduzieren. Und ich werde auch gleich noch mal ausführen, dass die Menge der Emissionen weiterhin nach unten geht. Wir hatten in diesem Zusammenhang zuerst die chemische Industrie, die Stahlindustrie angeführt. Diese brauchen wir heute in dieser Debatte nicht mehr zu nennen; die haben ganz andere Wege gefunden. Die Chemieindustrie braucht heute keine CCS- oder CCU-Debatte mehr. Vielmehr geht es um die Klinkerindustrie, die Kalkindustrie, die Zementindustrie und die Müllverbrennung. Da bleiben nach heutigem Stand noch Restemissionen. Aber wir werden auch diese weiter reduzieren. Es ist aber der völlig falsche Weg, wie vom Kollegen Grundmann gerade angedeutet, etwa das Kohlendioxid aus Kohlekraftwerken verpressen zu wollen. Das wäre ein völlig falscher Anreiz für fossile Energien, ein völlig falscher Lock-in.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Rainer Kraft [AfD]: Sie haben die doch angeschaltet! – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Sie nutzen doch die Kohleenergie! Sie nutzen sie doch länger und nicht die Kernenergie!)
– Wir werden sie in Kürze auch wieder abschalten. Seien Sie beruhigt!
Eile ist in einem anderen, viel wichtigeren Bereich geboten, nämlich bei den 95 bis 97 Prozent der Emissionen, die vermieden werden können. Hier setzen wir auf den beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren, den Sie verschlafen haben, und auf Energieeffizienz. Bei den Negativemissionen liegt der Schwerpunkt auf den natürlichen Senken, was Sie im Übrigen auch in Ihrer Antwort vom Juni 2021 betonen. Allein die Wiedervernässung der Moore hat ein Potenzial im Bereich der aktuell erwarteten Restemissionen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Für den jetzt schon sehr kleinen Anteil an Restemissionen könnten wir auf die sehr energieintensive, teure und leider auch umweltschädliche CO2-Verpressung angewiesen sein. Ich habe aber volles Vertrauen in die Ingenieurskunst und darin, dass diese die Restemissionen immer kleiner werden lässt. Außerdem benötigen wir einen intensiven gesellschaftlichen Dialog zu diesem Thema.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)