Dr. Armin Grau (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Parteien! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich begrüße es zunächst mal, dass uns Ihr Antrag von den Linken die Gelegenheit gibt, über die Situation der Krankenhäuser zu diskutieren.
(Ates Gürpinar [DIE LINKE]: Und über den Antrag!)
Ich will zunächst aber auf Sie eingehen, Frau Stöcker; denn Sie haben den Minister hier ganz offensichtlich falsch verstanden und falsch zitiert. Niemand – weder der Minister noch jemand in der Ampel – will einen kalten Strukturwandel.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie der Abg. Christine Aschenberg-Dugnus [FDP] – Ates Gürpinar [DIE LINKE]: Tun Sie etwas dagegen! – Emmi Zeulner [CDU/CSU]: Aber er kommt! Es passiert!)
Wir wollen alle bedarfsnotwendigen Krankenhäuser dieses Landes erhalten,
(Marianne Schieder [SPD]: Wo ist der Beitrag des Freistaats Bayern?)
und wir tragen mit unserer Reform, auf die ich gleich noch eingehen werde, der Tatsache Rechnung, dass wir einen Fachkräftemangel haben und dass wir eine effiziente Versorgung der Bevölkerung sicherstellen müssen. Lassen Sie mich aber zunächst fortfahren mit der Situation der Krankenhäuser. Ja, die ist schlecht. Die wirtschaftliche Lage des ganz überwiegenden Teils der deutschen Krankenhäuser ist negativ. Die Schätzungen sagen: 60 bis 70 Prozent der deutschen Kliniken werden 2023 rote Zahlen schreiben, und das trifft die kleinen Kliniken genauso wie die Universitätskliniken und andere Maximalversorger.
(Zuruf des Abg. Ates Gürpinar [DIE LINKE])
Wir alle teilen also die Sorge um die Situation der Krankenhäuser. Was sind die Ursachen dieser schlechten Lage? Sie nennen in Ihrem Antrag den Fachkräftemangel. Das ist richtig; viele Betten sind vor allem aufgrund von Pflegepersonalmangel nicht belegbar. Viele Pflegekräfte haben in den letzten Jahren den Krankenhäusern aufgrund sehr schlechter Arbeitsbedingungen den Rücken gekehrt.
(Stephan Brandner [AfD]: Wegen der Impfpflicht!)
In vielen Gesprächen haben mir Pflegekräfte geschildert, wie erschöpft und ausgebrannt sie sind.
(Stephan Brandner [AfD]: Ihre Impfpflicht war das!)
Wir haben als Ampel dazu bereits im letzten Herbst eine ganz wichtige Maßnahme ergriffen, nämlich die Einführung eines Instruments der Pflegebedarfsmessung, die PPR 2.0. Wir legen damit Standards fest für eine gute pflegerische Versorgung der Patientinnen und Patienten und für bessere Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Diese werden mittelfristig die Pflegekräfte wieder zurückbringen in die deutschen Krankenhäuser. Die alte Rezeptur aus der GroKo-Zeit, die Untergrenzenregelungen, hat nun wirklich nicht gewirkt. Sie nennen als wichtigste Ursache der schwierigen Situation inflationsbedingte Kostensteigerungen, und das ist durchaus richtig. Nur erwähnen Sie nicht – und Christos Pantazis hat es bereits angesprochen –, dass wir den Krankenhäusern bereits bis zu 6 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt haben.
(Ates Gürpinar [DIE LINKE]: Aber das ist Gießkanne! Bei uns wäre es Defizitausgleich!)
Und wir haben gerade noch mal nachgesteuert – auch das wurde schon erwähnt –: Wir stellen nochmals 2,5 Milliarden Euro über den Topf des Inflationsausgleichs zur Verfügung. Das ist wirklich nicht wenig in unseren Zeiten knapper Kassen überall
(Ates Gürpinar [DIE LINKE]: Aber es langt nicht!)
und darf nicht einfach, so wie von Ihnen, unter den Teppich gekehrt werden. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Grau, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Vogler
(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Nee, Leute! – Marianne Schieder [SPD]: Habt ihr kein Zuhause?)
Dr. Armin Grau (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, bitte. Gerne. Natürlich.
Kathrin Vogler (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege, herzlichen Dank auch, dass Sie meine Zwischenbemerkung zulassen. Natürlich ist uns bekannt, welche Ausgleichsprogramme bzw. Unterstützungsprogramme die Bundesregierung in der letzten Zeit für die Krankenhäuser aufgelegt hat; nur hat ja jedes dieser Programme den Schönheitsfehler, dass es genau das tut, was der Kollege Pantazis uns vorgeworfen hat, nämlich mit der Gießkanne an alle Krankenhäuser auszuschütten,
(Dr. Christos Pantazis [SPD]: Nein!)
unabhängig davon, ob sie vielleicht sogar Gewinne machen und die dann an Aktionärinnen und Aktionäre abführen. Von daher ist doch unser Vorschlag viel gezielter: Wenn es wirklich darum gehen soll, einen kalten Strukturwandel – was also heißt: ein ungesteuertes massenhaftes Krankenhaussterben ohne politische demokratische Steuerung – zu verhindern, dann muss man doch jetzt, bevor die große Krankenhausreform kommt, zunächst mal den Bestand sichern, damit man dann entscheiden kann, welches Krankenhaus gebraucht wird,
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
welches ausgebaut werden muss und welche Leistungen es erbringen soll.
(Beifall bei der LINKEN – Emmi Zeulner [CDU/CSU]: Genau so ist es!)
Dr. Armin Grau (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Kollegin Vogler, für die Möglichkeit, darauf noch einmal differenziert einzugehen. Zunächst einmal ist das ja kein Streubüchsenansatz. Wir gleichen Heizkosten und Strommehrkosten aus mit einem Teil dieser 6 Milliarden Euro, und wir gleichen Inflation aus, die nun wirklich eine wichtige Rolle spielt. Ihr Vorschlag jedoch ist ein echter Streubüchsenvorschlag.
(Emmi Zeulner [CDU/CSU]: Das stimmt nicht! Ich habe das auch gelesen, und das stimmt nicht! – Zurufe von der LINKEN)
Ich werde auch nachher noch mal darauf eingehen. Sie müssen ja im Grunde Bauchschmerzen gehabt haben bei Ihrem Vorschlag, weil Sie ganz trägerunabhängig über alle Kliniken die Defizite ganz pauschal ausgleichen wollen.
(Heike Baehrens [SPD]: Ja, genau! – Zuruf des Abg. Ates Gürpinar [DIE LINKE)
Das ist doch kein sinnvoller Ansatz, um mit Steuergeldern und Versichertengeldern umzugehen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Ates Gürpinar [DIE LINKE]: Aber Sie haben die Frage noch nicht beantwortet!)
Eine Ursache – ich werde dann weitermachen mit meiner Rede – nennen Sie nicht: Das ist der Fallzahlenrückgang im Vergleich zu 2019, der auch nach Corona weiter anhält. Da ist es offensichtlich so, dass sich viele Patientinnen und Patienten und Zuweiser neue Versorgungswege gesucht haben. Das ist im Wesentlichen auch gut so; denn in Deutschland werden im Moment viel zu viele Leistungen stationär erbracht. Wir helfen den Kliniken jetzt bei ihrer Umstellung auch im Hinblick auf mehr ambulante Leistungen. Die Therapie – ich habe es gerade schon gesagt –, die Sie von der Linken dem Patienten Krankenhaus verordnen, ist keine wirklich geeignete Medizin. Auf Ihrem Rezept steht ganz einfach „Defizitausgleich“. Damit machen Sie es sich wirklich zu einfach. Sie geben keinerlei Anhaltszahlen, um wie viel Geld es sich dabei handeln wird und wie Sie es finanzieren wollen.
(Beifall der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Und dass Sie bei Ihrem Gießkannenvorschlag allen Kliniken, unabhängig von der Trägerschaft, helfen wollen, müsste doch gerade Ihnen selber erhebliche Bauchschmerzen machen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Christine Aschenberg-Dugnus [FDP] – Ates Gürpinar [DIE LINKE]: Nein! – Weiterer Zuruf von der LINKEN: Sie müssten den Antrag mal lesen!)
Das Menetekel, das Sie an die Wand malen, das da lautet: „Unterversorgung der Menschen in unserem Land“, ist bei aller aktuellen Not nicht angemessen. Die Versorgung in unserem Land steht für uns als Ampel im Mittelpunkt und bleibt auch weiterhin gesichert. Manche Therapien in der Medizin wirken erst nach einiger Zeit. Unsere Haupttherapie für die Kliniken ist die große Krankenhausreform, an der wir derzeit ganz intensiv zusammen mit den Ländern arbeiten. Es ist gut, dass Sie die Notwendigkeit zu dieser Reform auch sehen. Sie beinhaltet eine qualitätsorientierte Planung nach Leistungsgruppen anstelle von Betten und eine Vorhaltevergütung, die an die Leistungsgruppen anknüpft. Wir stellen damit die Qualität der Versorgung in den Mittelpunkt, und wir bauen auf mehr sektorübergreifende Versorgungsansätze. In schwierigen Zeiten wie den unseren mit Fallzahlrückgängen erweist sich ein bloß auf Fallpauschalen beruhendes Finanzierungssystem als fatal. Wir brauchen jetzt ganz dringend eine fallzahlunabhängige Finanzierung der Vorhaltekosten,
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Christine Aschenberg-Dugnus [FDP])
um die Kliniken endlich aus dem ökonomischen Hamsterrad zu holen.
(Emmi Zeulner [CDU/CSU]: Die soll doch erst kommen! Das ist doch Wahnsinn!)
Diese Reform ist überfällig. Sie hätte schon in den vorausgegangenen Legislaturperioden dringend angepackt werden müssen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Ates Gürpinar [DIE LINKE])
Das jetzige Finanzierungssystem setzt erhebliche Fehlanreize dazu, immer mehr Patienten in die Betten zu holen und möglichst lukrative Behandlungen durchzuführen.
(Emmi Zeulner [CDU/CSU]: Darum geht es doch momentan gar nicht!)
Das war ein teures und es war ein ineffizientes System,
(Ates Gürpinar [DIE LINKE]: Es war ein Lauterbach-System!)
und es ist höchste Zeit, es tiefgreifend zu reformieren
(Zuruf von der AfD: Ich bin mal gespannt, wie es dann läuft!)
und damit auch die finanzielle Situation der bedarfsnotwendigen Kliniken – ich betone das: der bedarfsnotwendigen Kliniken – zu stabilisieren. Was die aktuelle Not der Kliniken betrifft, werden wir als Ampelregierung die Situation der Krankenhäuser ganz genau im Auge behalten; und das werden die Länder auch tun. Eine kalte Strukturbereinigung, wie Sie es befürchten, wird es trotz der schwierigen Lage nicht geben.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir stehen mit den Ländern im Rahmen der Krankenhausreform aktuell in einem sehr engen und, wie ich es empfinde, sehr produktiven Austausch.
(Beifall der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das gibt uns in ganz besonderem Maße jetzt die Gelegenheit, am Ende gemeinsam Lösungen zu finden. Nur werden diese Lösungen sicherlich ganz anders aussehen, als Sie es von der Linken gerade vorschlagen. Die Krankenhäuser sind ein ganz wichtiger Teil der Daseinsvorsorge. Bund und Länder gemeinsam werden die Krankenhäuser nicht im Regen stehen lassen.
(Zuruf des Abg. Tino Sorge [CDU/CSU])
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)